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Sonntag, 1. September 2013

Verleihkultur

Harald Welzer hat in seinem Buch „Selbst denken“ ein schönes Bild einer Verleihkultur gezeichnet. Er hatte das tolle Beispiel einer Bohrmaschine, die man nicht oft benötigt und die man sich gut teilen kann. In seinem Bild leihen fremde Menschen in der näheren Umgebung einander Dinge aus, die sie nicht permanent brauchen. Ich bin verleitet, dieses Bild eine „Utopie“ zu nennen, aber ich hoffe zu sehr, dass es das eben nicht ist.

Es gibt auch bereits Plattformen wie LeihDirWas oder Frents, die eben eine solche Verleihbasis anbieten. Auch bei ebay Kleinanzeigen kann man verleihen.


Diese Sache finde ich edel. Und sehr schwer zu etablieren. Ich habe einfach ein schlechtes Gefühl beim Verleihen an Fremde. Dieses schlechte Gefühl kennt sicher jeder, der mal ein Buch nicht in dem Zustand zurückbekommen hat, in dem er es verliehen hat. Und jetzt soll ich einem Wildfremden Dinge verleihen? Elektrisches Gerät wie Bohrmaschinen, ein hochwertiges Zelt oder heißgeliebte Bücher? Das spricht mich nicht an. Ich mag die meisten Gegenstände, die ich besitze und möchte nicht, dass sie schneller kaputt gehen, weil jemand sie nicht so behandelt, als wären sie sein Eigentum.

Aber diese Dinge stattdessen gar nicht zu verleihen, erscheint mir auch falsch. Eine Bohrmaschine, eine Leiter, Malerwerkzeug oder auch das Zelt, das wir höchstens zweimal im Jahr nutzen müssen nicht ungenutzt bei mir im Schrank verstauben.


Es schließt sich also die Frage an, wem ich die Dinge denn verleihen kann und ein gutes Gefühl dabei habe. Die Antwort in meinem Fall ist: Familie, Freunde, Arbeitskollegen. Eben Menschen, die ich kenne. Diesen Menschen verleihe ich aber nun sowieso bereits Dinge. Vermutlich könnten es jedoch deutlich mehr werden, wenn ich denn wüsste, was sie denn gerade benötigen.


Eine Plattform wie z.B. LeihDirWas ist schön, um das Leihen und Verleihen auszuweiten. Könnte man auf solchen Plattformen dann nicht auch eine Auswahl von Menschen angeben, an die man bereit ist zu verleihen? Oder könnte man bereits etablierte Freundschaftsstrukturen wie bei Facebook oder Google+ nutzen und sie  um die Funktion der Tauschbörse erweitern? Andererseits: Möchte man seine dort sowie schon ausführlichen Daten auch noch um zu tauschende Gegenstände erweitern?


Es ist momentan sicher nicht zielführend (auch im Sinne des Datenschutzes), eine Plattform für alles zu nutzen. Aber man kann vielleicht für verschiedene Dinge verschiedene Medien nutzen. Gegenstände, an denen man emotional nicht hängt, kann man eben über solche Internetplattformen verleihen. Und Dinge, die einem wichtig sind, die man aber trotzdem fast nie nutzt, kann man eben an Freunde und Verwandte verleihen.

Und dann ist es meiner Meinung nach sehr wünschenswert, wenn sich in Hausgemeinschaften Verleihkulturen aufbauen. Denn meine Backformen mag ich zwar schon, aber ich backe bestimmt nicht jeden Tag Kuchen. Aber ich werde wohl auch kaum 60km in meinen Heimatort fahren, damit ich meiner Mutter eine Backform vorbeibringen kann, weil ihr einfiel, dass sie gerade Kuchen backen möchte. Im Haus jedoch, da sind die Wege kurz. Und wenn man sich schon Eier leiht beim Nachbarn, warum dann nicht auch Küchengerät. Etwas, das bei uns im Haus ganz gut funktioniert, ist die gemeinsame Nutzung eines Grills. Bei 7 Parteien im Haus kennt man sich ja schließlich gegenseitig…

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